Zwischen Gipfeln, Schnee und Sonnenschein
Text: Leo Zgraggen
Fotos: Susanna Wettstein und Leo Zgraggen
10. – 16. Juli 2024
Rund um die Bernina
Nach einer gemütlichen Bahnfahrt ziehen wir zu fünft (Annemarie, Karin, Magdalena, Susanna und der Autor) vom Ospizio Bernina los. Unsere erste Etappe führt uns am Lago Bianco entlang hinunter zur Alp Grüm. Blumen blühen am Wegrand um die Wette und das Wetter zeigt sich nach der mehrwöchigen Regenphase endlich für eine paar Tage von der Sonnenseite. Der weitere Abstieg führt kurzweilig nach Cavaglia, wo wir unvermittelt vor einer Mutterkuhherde stehen. Zum Glück gibt’s genug Platz zum Ausweichen.
Über Blumenwiesen und durch schattenspendende Lärchenwälder erreichen wir in einem stetigen Auf und Ab unsere erste Unterkunft im Weiler Selva und können den Apero und das feine Znacht auf der Terrasse geniessen.
Mit einem herzlichen Gruss an Emanuele vom Rifugio Zoia verabschiedet uns der sehr zuvorkommende Gastgeber Jacopo am nächsten Morgen. Über den Pass da Cancian und den Passo di Campagneda wollen wir ins Val Malenco gelangen. Im Aufstieg verfolgen zwei Hunde mit lautem Gebell ein Murmeltier – zum Glück ohne Erfolg! Die beiden Pässe sind immer noch schneebedeckt. Wir verfolgen jetzt den Sentiero Bernina Sud und begegnen wahrscheinlich darum heute hin und wieder anderen Trekkern. Beim Abstieg zum Rifugio Zoia passieren wir verschiedene Seen und können die Füsse kurz vor der Hütte in einem kleinen Bach erfrischen. Die Dusche in der frisch renovierten Hütte, der Apero auf der Terrasse und der feine Znacht leiten die erholsame Nacht ein.
Der Freitagmorgen zeigt sich von einer komplett anderen Seite. Gewitter und Starkregen sind den ganzen Tag angesagt. Mit Schirmen und Regenkleidern schreiten wir über die Staumauer vom Lago di Campo Moro hinunter zur Alpe Foppa. Zum Glück bei einem solchen Wetter verfolgen wir nicht den Sentiero Bernina Sud, der zum Rifugio Longoni führen würde, sondern wir bleiben im Tal mit Ziel Chiareggio.
Bei strömendem Regen verlassen wir deshalb schon bald den Sentiero Bernina Sud und erreichen durch einen Zauberwald mit einer kleinen Schlucht den Torrente Laterna. Der Bach hat sich in einen reissenden Fluss verwandelt – wir sind froh, dass die Brücke noch steht…
Begleitet von Blitz und Donner in der Höhe steigen wir der Piste nach zum Passo Campolungo und dann hinunter auf die Alpe Palù. Der Agriturismo Malga Rundai ist auch bei diesem Wetter geöffnet, aber wir sind die einzigen Gäste. Die frischen Spinatgnocchi al Salvia mit eigenem Käse und viel Butter dazu von Maria und Andrea, ihrem würdevollen maestro di sci“, sind ein Gedicht und die beiden Gastgeber geniessen die Abwechslung wahrscheinlich genauso wie wir, während es draussen wie aus Kübeln giesst. Das freundliche ältere Paar hätte uns wahrscheinlich gerne noch weiter bewirtet, aber wir müssen weiter. Unerwartet klart es auf, als wir den malerischen Lago Palù erreichen. Hinunter geht’s durch gepflegte Weiler ins Malenco hinein, wo wir schliesslich Chiareggio und unsere nächste Unterkunft, das Hotel Gembro erreichen. Am Abend hagelt es massiv und die ganze Nacht regnet es in Strömen.
Unsere Strecke heute Samstag ist nicht mehr so lang wie die gestrige. Dafür müssen wir ca. 1‘150 Höhenmeter auf den Sella del Forno mit seinen 2769 MüM hochsteigen. Die Wege sind klitschnass und Nebelfetzen begleiten uns auf dem Weg zur Alpe Vazzeda. Hier erreichen wir wieder den Sentiero Bernina Sud. Im oberen Val Bona beginnt der Schnee. Er ist jedoch sehr gut gängig und gegen Mittag erreichen wir die Passhöhe. Auf der anderen Seite versperrt eine Wechte den direkten Abstieg – für uns ist der Abstieg hier zu steil, aber auf der linken Seite finden wir einen flacheren Durchschlupf und gelangen so schon bald in mässig steiles Schneegelände und in zügigem Tempo hinunter zur Fornohütte. Obwohl die Hütte heute Samstag voll ist, überzeugt die Hüttencrew mit Ihrem guten Service. Wir geniessen den Hüttenkaffee und das feine Essen sehr. Mit Jassen und Dog-Spielen lassen wir den Abend ausklingen.
Sonnenschein den ganzen Tag ist für heute Sonntag angesagt. Trotzdem ist es noch kühl am Morgen, als wir die Capanna del Forno verlassen und uns auf den Abstieg machen. Der neue Weg führt in einem weiten Rechtsbogen über die Moräne ins Tal. Danke, dass dieser Weg immer wieder frisch und so gut wie möglich unterhalten wird – wahrlich eine Sysiphusaufgabe! Im Tal wird’s wärmer. Ein angenehmer Pfad führt uns kurzweilig an den Lägh da Cavloc. Nach einer längeren Mittagspause am See steigen wir auf schmalen Wanderwegen hinunter nach Maloja. Die Getränkeflaschen sind beinahe leer und kein Brunnen weit und breit, als wir in der Nachmittagssonne hochsteigen zum Plan di Cavai. Über Alpweiden verlassen wir den Wanderweg. Wir finden die kaum mehr begangene Route in der Höhe nach Ca d’Starnam, müssen jedoch unterwegs zwei Flüsse überqueren. Beinahe hätten wir die nassen Füsse am heutigen Tag vermisst 😉 …
Wer lange geht, muss langsam gehen und so erreichen wir erst gegen fünf Uhr am Abend unsere Pension in Crasta im Val Fex. Die Beine sind müde, aber die warme Dusche tut gut und das Abendessen ist wie bisher auf der ganzen Tour ein Gedicht.
Die Sonne scheint vom wolkenlosen Himmel, als wir heute Montag durch Blumenwiesen und schmale Wege über Vanchera und die Alp Prasüra das Skigebiet Corvatsch erreichen. Welch Gegensatz zur bisherigen Tour! Hier wird gearbeitet, aufgerissen, planiert und die Bagger sind überall im Einsatz. Endlich können wir diese alpine Baustelle nach gut einer Stunde wieder verlassen und erreichen schon bald die Fuorcla Surlej. Selbstverständlich machen auch wir an diesem aussichtsreichen Ort eine Fotosession mit der Bernina und ihrem Biancograt im Hintergrund. Der Bergsturz im Val Roseg vom 14. April 2024 hat seine deutlichen Spuren hinterlassen, ein breites Geröllfeld zieht sich vom Gletscher bis ins Tal hinunter. Unser Weiterweg führt hoch über diesem Bergsturzgebiet ins Val Roseg hinein auf die Coazhütte. Langsam sind wir geübte BachüberquererInnen und gelangen trockenen Fusses zu unserer heutigen Unterkunft.
Die Wetterkapriolen sind noch nicht ganz ausgestanden. Es regnet die ganze Nacht, aber genau als wir die Hütte an diesem letzten Trekking-Morgen verlassen, blinzelt die Sonne durch die Wolken. Die gestrigen Bäche sind am Morgen viel besser zu überschreiten und bereiten kaum mehr Mühe. Die Wetterfronten kämpfen miteinander, aber erst als wir den Talboden vom Val Rosegg erreichen, beginnt es wieder zu regnen.
In einem zügigen Tempo bringen wir diese letzte flache viel begangene Strecke nach Pontresina hinter uns. Als ob wir’s verdient hätten, hört der Regen auf, die Sonne scheint wieder und so können wir dieses wunderschöne, abwechslungsreiche 7-Tages Trekking rund um die Bernina auf der Gartenterrasse bei einer leckeren Pizza und einem grossen Panache würdig abschliessen.
Vielen Dank an alle Teilnehmerinnen, wir hatten nie einen Einbruch, konnten die Tour wie geplant durchführen und hatten auf dem ganzen Trekking immer eine gute Stimmung!