Senioren-Tourenwoche 2025

Text: Hanspeter Nef

23. bis 28. Februar 2025

Senioren-Tourenwoche Safien-Thalkirch

Verhangener Himmel beim Start. Im Tagesverlauf trifft die erhoffte Besserung ein, am Himmel, aber auch im Landschaftsbild: Nach dem grünen Rheintal und der abenteuerlichen Schluchtfahrt hinter Bonaduz Altschnee am Strassenrand, aber wenigstens Schnee. Die Strasse deutlich beschädigt von Frost und Rutschen. Aber als wir beim «Gasslihof» in Thalkirch anlangen, sieht’s an den Westhängen aper, aber an den Osthängen überwiegend weiss aus.

Obwohl in jüngeren Jahren öfter im Safiental unterwegs, kannte ich unsere Unterkunft bisher nicht. Altes, gemütliches Haus, proper, auf Wanderer, Langläufer und Tourenfahrer ausgerichtet und freundlich geführt. – Gleich geht’s auf die erste Tour. Zuerst der Route 190b folgend, dann der davon abzweigenden Route H auf den namenlosen Gratgipfel 2705 m. Dank gemütlichem Tempo und zwei Pausen schaffen fast alle die 1050 Hm zum Ziel. Zwar sind die Hänge bereits recht zerfurcht, aber Hans findet für die Abfahrt immer wieder nordöstlich geneigte Hänge mit Pulverschnee. Den unerwartet erfreulichen ersten Tourentag beschliesst, was man uns auftischt; das Niveau der Gasslihof-Küche würde auch in weniger entlegenen Tälern angenehm auffallen.

Piz Tomül (2945 m)

Windstiller schöner Morgen. Start vom Turrahus, wo wir früher mehrmals logiert haben. Die erste Strecke sieht aus wie eine abendliche Piste, bevor die Pistenfahrzeuge losfahren. Gemächlich SW-wärts hoch. Erster Halt bei einem Kreuz unterhalb des NW-Grats, wo Wind zu erwarten ist. Mehr zu schaffen macht uns der 1.5 km lange Grat, über dem unser Felsgipfel unnahbar aufragt. Wie oft bedauert man auch hier nach dem mühsamen Hartschneegrat, dass man die Harscheisen nicht schon am Anfang montiert hat. Schliesslich am fast aperen Gipfelaufbau und zu Fuss in einem Viertelstündchen zum Ziel. Die (herrliche) Ostabfahrt ist bei diesen Schneeverhältnissen nicht ratsam, also eine mühsame Strecke über den Grat zurück. Doch Hans findet dann ein paar Spuren, die in die Nordflanke hinabführen. Eine enge Steilpassage schaffen mehrere wie ich dank vorsichtigem Abrutschen. Die Geschickteren kurven flott hinab. Der Schattenhang darunter belohnt uns dann mit herrlichem Pulverschnee. An einem Lawinenkeil demonstriert uns Hans, wie man die bedrohlichen Stellen im Schneedeckenaufbau findet. – Eine lange Abfahrt, oft durch unbefahrene Mulden in NO-Ausrichtung, schliesst sich an. Dann und wann beeinträchtigt diesiges Licht die Sicht, doch über grosse Strecken geniessen wir die Abfahrt, sogar über die «Piste» oberhalb des Turrahus. Abschlusstrunk vor der Heimkehr. Nicht ein Essen – ein genussvolles Nachtmahl erwartet uns. (1245 Hm)

Tällihorn (ca. Pt. 2725 m)

Unser Koch empfiehlt uns, wegen starkem Föhn im oberen Safiental aufs Tällihorn oberhalb Thalkirch auszuweichen, wo viel schwächerer Wind zu erwarten sei. Wir schenken dem erfahrenen Jäger Glauben. Vom Parkplatz in der Camana (ca. 1650 m) geht’s gleich hoch in ein fast schluchtartig enges Tal, überdies (zur Abwehr von Besuchern??) mit lästigen Erlenstauden mehr bewehrt als bewachsen. In dieser Passage will nicht eben Vorfreude auf die Abfahrt aufkommen. Doch bald weitet sich’s. Eine Aufstiegsspur führt durch die vielen Abfahrtskurven hoch. Während über uns Wolken aus SW ziehen, fährt uns wiederholt eine unwirsche Bise in die Knochen. Die steilen Schattenhänge unterhalb den Gipfelfelsen sind erst mässig verfahren und wecken in den meisten die Lust auf mehr, während ich mit einem Kameraden bei einem mächtigen Felsen finde, angesichts der sich verschlechternden Sicht reiche es für heute. Den andern reicht es gut 100 Hm weiter oben. Als sie unweit von uns vorbeifahren, ist die Sicht dank ein paar verirrten Sonnenstrahlen kurz gut. Also nichts wie hinab. Weil das Abfahrtsgelände meist im Schatten liegt, schwelgen wir im fast jungfräulichen Pulverschnee. Unterhalb der schluchtigen Passage, die wir südlich umfahren können, ist der Schnee zwar etwas schwerer, aber dank der zahlreichen aufgeweichten Vorgängerspuren problemlos zu meistern. – Als wir zurück im Hotelchen sind, trübt sich das Wetter wie vorausgesagt ein, und ein paar Flöcklein tanzen um unsere Köpfe. Ob das für eine grössere Tourenauswahl reicht? (1075 Hm)

Am vierten Tag hängt die Nebeldecke tief, was den Tatendrang mässigt. Anderseits sind wir nicht hieher gefahren, um mit Lesen, Jasskarten, alten Witzen und Lebensweisheiten lange Stunden totzuschlagen. Also steigen wir von Safien-Platz in Richtung Grat südlich des Plangghorns auf. Nach 950 Hm schlagen wir die Köpfe an der dichten Nebeldecke an und machen uns an die Abfahrt. Zum Jassen, Lesen und Plaudern bleibt immer noch reichlich Zeit.

Bärenhorn (2929 m)

Der Donnerstag beginnt mit Eiseskälte, entwickelt sich aber zum Höhepunkt dieser Tourenwoche. Doch das Bärenhorn muss man sich verdienen, besonders von der Nordseite her. Am oberen Staubecken endet nach dem Turrahus die geteerte Talstrasse auf 1700 m. Vom Bärenhorn ist noch nichts zu sehen. Lange läuft man auf und ab in die Talenge hinein, wo die Rabiusa herausfliesst. Wir müssen sie sogar auf wenig verlässlichen Steinen überqueren, weil wir die Talbiegung beim letzten Weiler mit dem treffenden Namen Z’Hinderst zu verkürzen hofften. Es ist saukalt, und der Talwind verstärkt diesen Eindruck. Bald folgt eine Steilstufe, an deren Ende wir, hoch über dem Bach, in ein sanft ansteigendes besonntes Tälchen blicken. Rast, Aufwärmen – herrlich! Nach einem halben Kilometer klinken sich drei von uns aus und steigen unter Marcels Führung zum Übergang Safierberg (2486 m) hoch, an dem erst ein paar schöne Abfahrtsspuren zu sehen sind. Der Hauptharst verfolgt die Route 209b weiter, in schönstem Sonnenschein. Man darf sich von den zwei Graterhebungen zur Linken nicht narren lassen – das Bärenhorn rückt erst ins Blickfeld, wenn man den Nordgrat der zweiten Erhebung gequert hat. Der Doppel-Gipfel ist grossenteils abgeblasen. Unter der meist dünnen Schneedecke lauern Steinbrocken listig auf Laufflächen. Wir deponieren die Ski, bevor die Steine überhand nehmen. Fast wolkenlose, klare Aussicht ringsum, bis ins Bernina-Gebiet. Hochstimmung. «Dass ich das noch erleben darf!» sagten jeweils meine alten Tanten an einem Familienfest. (Und nun bin ich selbst so ein alter Onkel, dem dieser Satz auf der Zunge liegt.) – Die Abfahrt über eine lange Folge fast unbefahrener Pulverschneehänge und -täler ist die Krönung dieser Tourenwoche. Da kommt sogar in mir die Illusion auf, ich sei eigentlich noch ein ganz ordentlicher Tourenfahrer. – Auf der Sonnenterrasse vor dem Gasslihof geht’s nach unserer Rückkehr hoch zu und her. Nach dem feinen Nachtessen gibt der Chef jedem ein Röteli aus, weiter ein Paar selbst gemachte Würste zur Erinnerung mit und obendrein jedem, der nicht genug Bares dabeihat, Kredit und einen Einzahlungsschein. So viel Vertrauen ist geradezu rührend. (1250 Hm)

Strätscherhorn (2558 m)

Dieser Berg wirkt im Kreis der grösseren um ihn herum wie eine Art Nesthäkchen, aber empfiehlt sich wegen seiner Zugänglichkeit für den Abreisetag. Doch wie manche unterschätzte Kleine hat er viel zu bieten. Nicht grundlos machen unsere Fotografen Aufnahmen von unseren zahllosen Kurvenzöpfen, die wir innerlich jubelnd über Hunderte Höhenmeter in den Pulverschnee gelegt haben. – Denken wir zum Schluss aber daran, was unser Nürnberger Mitglied Martina Remold über uns Senioren gesagt hat: «Skifahren hört dann auf, wenn man nicht mehr aufstehen kann.» Also fit bleiben für 2026. (850 Hm)

Vielen Dank, Hans Fitzi, für Deine anpassungsfähige, umsichtige Führung. Und auch Dein Führungsgehilfe Marcel Hartmann hat seine Sache gut und verlässlich gemacht.